Ringgi und Zofi und die Globalisierung
Moritz Leuenberger - Rede an der Ringier Geburtstagsfeier im KKL Luzern, 16. Mai 2008
Ein Presseerzeugnis aus dem Hause Ringier ist in den zahlreichen Würdigungen zum Jubiläum zu kurz gekommen, „Die Abenteuer von Ringgi und Zofi". Es ist von namhaften Künstlern gestaltet, Texte von Fridolin Tschudi, Zeichnungen von Hugo Laubi, und von Jörg Schneider vertont worden; in seiner künstlerischen Gestalt ist es ein Vorläufer des heutigen Geschäftsberichtes, mit dem Vorteil, etwas leichter zu sein.
Ringgi und Zofi fahren auffallend viel Auto und Flugzeug und diskutieren gerne Verkehrsregeln. Die Einleitung im ersten Heft lautet:
„Ringgi zeigt sich immer mehr
Als ein Fachmann im Verkehr,
und auch Zofi regelt gern
den Verkehr mit seinem Herrn."
Kein Wunder, dass ich mich als Verkehrsminister fesseln liess und sofort sämtliche Heftlein von Ringgi und Zofi verschlang und mitfieberte, wie diese die Welt erforschten und wie sie deren rasante Veränderungen erlebten.
Ringgi und Zofi mussten, als sie sich nach Asien wagten, erfahren, dass dort die schweizerischen Verkehrsregeln nicht gelten. Ihr Auto erlitt deshalb Totalschaden, sie waren verzweifelt:
„Zum ersten Mal im Leben hat
Der arme Ringgi alles satt
Und Zofi, welcher heult und bellt
Schimpft auf die Schlechtigkeit der Welt.
Er ist verzweifelt und zurzeit
Voll grenzenloser Bitterkeit."
„Grenzenlose Bitterkeit", wir haben diese Worte doch erst kürzlich gehört: Barack Obama sprach davon, dass die Globalisierung zu einer „Verbitterung" eines breiten Teils der Bevölkerung geführt habe.
In der Tat geht es vielen wie Ringgi und Zofi. Sie verstehen die Welt nicht mehr, weil vieles nicht mehr ist, wie es früher war.
Heisst Luzern noch Luzern? Oder bereits Lucerne, wie sein Festival heisst, in dessen Pausen statt Eichhof Heineken getrunken wird?
In Zürich wird schon seit Jahren kein Hürlimann-Bier mehr gebraut, dafür kurven Carlsberg-Trams durch die Stadt.
In diesen Trams nehmen die Jugendlichen ihre Beine und Taschen selbst für ältere Leute nicht von den Nachbarsitzen. Die Tramwagenführer tragen keine Uniform mehr wie früher, sondern Shorts.
Und fragen wir einen Tramwagenführer in Oerlikon, wo denn der Sitz des Oerlikon-Konzerns sei, wird er uns sagen:
Oerlikon ist nicht mehr Oerlikon. Oerlikon gehört nun den Österreichern. Und auch das stimmt schon nicht mehr, Oerlikon gehört einem Russen, denn soeben vekselte ein Berg von Aktien den Besitz.
Für viele ist diese Welt nicht mehr in Ordnung.
***
I. Alte Ordnungen werden aufgelöst
Das ist aber nicht neu, denn Ordnungen verändern sich immer:
Wir erinnern uns an Viscontis Gattopardo, wo Fürst Salina nach dem langen Tanz mit Claudia Cardinale einsam in den grauen Strassen von Palermo verschwindet, während die Bourgeoisie und das Militär das rauschende Fest weiterfeiert im Wissen, dass sie die neue Ordnung gestalten werden.
Wenn eine Ordnung sich auflöst, bleiben die einen rat- und hilflos zurück. Sie haben den Verlust des Bestehenden vor Augen, sind überfordert, verlieren Orientierung und Halt.
Andere freuen sich, dass etwas zu Ende geht und blicken hoffnungsfroh in die Zukunft, denn sie sehen im Entstehen neuer Ordnungen neue Möglichkeiten.
Auch das Unternehmen Ringier wurde in einer Zeit des Umbruchs gegründet. Der Kanton Aargau war zuvor durch eine fremde Macht befreit worden. Zwar gab es noch keine moderne Schweiz, keine Bundesverfassung und schon gar keine garantierte Medienfreiheit. Aber die neue Freiheit der Französischen Revolution leuchtete in die Zukunft und die Presse spielte in dieser revolutionären Epoche eine entscheidende Rolle.
200 Jahre nach der Französischen Revolution haben viele Völker Europas eine ähnliche Befreiung erfahren. Der eiserne Vorhang fiel, Bill Clinton verhiess an der gefallenen Berliner Mauer: „Alles ist möglich." Die Globalisierung trat ihren Siegeszug an.
1. Schwindende Bindungen in Politik und Wirtschaft
„Alles ist möglich", das weckt auch Ängste. So intensiv die Schweizer Wirtschaft an den globalisierten Märkten teilnimmt, so misstrauisch verhalten sich unsere Bürger gegenüber Veränderungen und Öffnungen.
- Die neue Architektur Europas gestaltet die Schweiz kaum mit, sie beschränkt sich auf den autonomen Nachvollzug. Die EU erscheint vielen als Moloch mit unzähligen Normen, Gesetzen und Paragraphen. Sie berufen sich auf jene EU- Bürger, denen eine Bindung ebenfalls fehlt und die in Frankreich und Holland nein zum Verfassungsvertrag sagten.
- Auch in der Schweiz lösen sich bestehende Bindungen auf, trotz direkter Demokratie. Die „classe politique" ist selbst in unserer direkten Demokratie als Ausdruck salonfähig geworden. Zunächst als populistische Kampfparole gebraucht, dann während vier Jahren begraben, nutzt heute auch die NZZ am Sonntag den Begriff als Kolumnentitel - auch das ein Anzeichen für die schwindende politische Bindung zwischen den Citoyens, die früher ihren Staat selber gestalteten.
- Vor 20 Jahren waren Politik und Wirtschaft unseres Landes noch viel stärker vernetzt. Wirtschaftsführer sassen im Parlament, sie engagierten sich für das Gemeinwesen und ohnehin kannte man sich von der Armee. Gewiss, das hatte auch seine Schattenseiten, weil es gelegentlich missbraucht wurde und zu Filz führte. Aber es war doch eine Bindung zwischen Wirtschaft und Politik. Mit der Globalisierung haben sich solche Vernetzungen mehr und mehr aufgelöst. Viele international ausgerichtete Manager haben für das Schweizer Milizsystem nicht einmal ein Lächeln übrig, weil sie es gar nicht kennen.
- Auch innerhalb der Wirtschaft selbst lösen sich Bindungen auf: Das Verhältnis des Patrons zu seinen Mitarbeitern gibt es kaum noch. Arbeitgeber und Arbeitnehmer fühlen sich gegenseitig weniger verpflichtet als früher und kündigen beim nächst besseren Angebot. Manche Stelle dauert etwa so lange, wie die Füsse ein wippendes Sprungbrett berühren, das sie zur nächsten Karrierestufe katapultiert. Trotz GAV und Friedenspflicht wird ganz selbstverständlich gestreikt. Eine Abkehr vom traditionellen schweizerischen Arbeitsfrieden zeichnet sich ab.
2. Wandel der Medien und der Kommunikation
Als der „Blick" gegründet wurde, wollte der Bundesrat von Gemeinsamkeit jedenfalls nichts wissen. Er schrieb 1960:
„Blick (...) bringt eine für unser Land völlig fremde Art der Beeinflussung des Lesers und (...) widerspricht zweifellos gesunder schweizerischer Pressetradition. Es ist zu befürchten, dass er auf die geistige Haltung und Widerstandskraft seiner schweizerischen Leser keinen günstigen Einfluss ausübt."
Und der Bundesrat wollte auch gleich aktiv verhindern, dass es zu Bindungen zwischen diesem neuen Medium und dem Bundeshaus kam. Er untersagte den Journalisten des „Blicks" kurzerhand die Akkreditierung.
Heute wissen wir: Die Befürchtungen waren berechtigt. Die Widerstandskraft ist tatsächlich geschwunden, aber nicht die der Leser, sondern jene der Parlamentarier. Lanciert der „Blick" eine Unterschriftensammlung gegen bissige Hunde, unterschreiben sie alle, weil sie um die Akkreditierung beim Volk fürchten.
Der „Blick" zerzauste das Schweizer Pressewesen, wurde aber bald fester Bestandteil einer neuen Ordnung. Diese ist heute selbst wieder in Veränderung begriffen, vor allem durch den Einzug der Gratiszeitungen. Und das neue Medium Blog wird von vielen Journalisten als bedrohliche Konkurrenz ihrer eingespielten Bindungen zu Politikern empfunden.
II. Neue Ordnungen gestalten
Wir feiern ein Jubiläum und wollen nicht verklärend zurückblicken und die gegenwärtige Entwicklung bejammern, sondern uns fragen, wie denn die Neuerungen gestaltet werden müssen, damit das Bedürfnis der Menschen nach Halt, Verlässlichkeit, Geborgenheit und Heimat gewahrt bleibt.
Dass der Mensch das Mass aller Dinge bleiben soll, ist eine alte Weisheit und selbstverständlich.
Können wir uns aber tatsächlich eine Globalisierung vorstellen, die sich am Menschen ausrichtet? Was für Kriterien hätte sie zu erfüllen?
Neue Ordnungen in der Welt der Politik, der Wirtschaft und der Medien werden nur verstanden, nachvollzogen und akzeptiert,
- wenn sie verhältnismässig sind in den neuen Massen,
- wenn sie also ein Gleichgewicht beachten,
- und wenn sie in einer Geschwindigkeit erfolgen, mit der wir Schritt halten können.
Neue Ordnungen haben nur Bestand, wenn sich die Menschen an sie binden können.
Wie können solche Bindungen geschaffen werden?
1. Überschaubarkeit der Proportionen und der Rhythmen
Wir können uns nur an etwas binden, was wir verstehen und überschauen.
Wir haben uns heute unter dem ausladenden Dach des KKL versammelt, einem gigantischen Wahrzeichen, das nicht wegen seiner absoluten Grösse besticht, sondern durch seine Proportion zum Hauptgebäude, zum See und zur Stadt. Würde dieses Dach, sofern es die Technik erlaubte, bis zur Hälfte des Seebeckens reichen, würde es weder von den Luzernern noch von den Besuchern geliebt, denn es würde jede Verhältnismässigkeit sprengen. So aber verströmt es Harmonie und kommuniziert in einem inneren Gleichgewicht mit Stadt und See und ist deswegen zu einem Symbol kultureller Offenheit und Heimat zugleich geworden.
Wird eine Kraft zu dominant, wird sie masslos. Sie zerstört das Gleichgewicht und damit das ganze System.
Wahre Grösse zeigt sich stets in ihrer Relativität, das heisst in ihrem Verhältnis zu anderen und nicht in ihrer autistischen Absolutheit.
Was ist das richtige Mass?
Die Planer des KKL-Daches kannten es.
Die Architekten einer Abgangsentschädigung von 22 Millionen nach Abschreibern von 40 Milliarden kennen es ganz offensichtlich nicht.
Es gibt kein vernünftiges Verhältnis zwischen so genannten Managerlöhnen und dem Einkommen von Working Poors.
Das will ja auch die Geschichte des Turmbaues zu Babel zum Ausdruck bringen: Vermessenheit ist Masslosigkeit und Masslosigkeit ist Zerstörung.
Wir leben in der direkten schweizerischen Demokratie und gleichzeitig in einer globalisierten Marktwirtschaft. So müssen Medienunternehmen zwei Rollen spielen: Sie müssen sowohl einen Gewinn erzielen als auch zur unabhängigen Meinungsbildung in der direkten Demokratie beitragen.
Ist das überhaupt möglich?
In den USA wird von einem „Kampf von Finanzmanagern der Wall Street gegen die Presse" geschrieben. In der Tat drängen Hedgefunds und Private Equity Gesellschaften in Zeitungsverlage und wollen ihnen ihre Zielsetzungen nach schnellem Gewinn vorschreiben.
Die globalisierten Märkte gefährden die doppelte Funktion der Medien, nämlich die Nachfrage nach Information und Bildung gewinnträchtig zu befriedigen. Damit ein Medienunternehmen beide Funktionen wahrnehmen kann, muss es einen Ausgleich schaffen zwischen jenen, die im Betrieb für die Inhalte zuständig sind und jenen, welche die Zahlen verantworten.
Die Unternehmensgeschichte von Ringier ist u.a. geprägt von Auseinandersetzungen zwischen der so genannten Zahlen- und der so genannten Buchstabenfraktion. Für ein Medienunternehmen ist es entscheidend, diese beiden Kräfte ins richtige Mass zu bringen.
Auch die Geschwindigkeit ist ein Mass.
Die Globalisierung hat in den letzten Jahrzehnten unser Leben in einem Tempo verändert, das viele überfordert. Das gilt für jede Marktöffnung, ob Elektrizität, Post oder Landwirtschaft. Erfolgt sie zu schnell, wirkt sie bedrohlich und wird nicht akzeptiert.
Der börsenbedingte Zwang zu Quartalsbilanzen führt zu einer Beschleunigung, welche nachhaltige Unternehmensplanung zumindest erschwert. Unternehmer mit einem langfristigen Horizont wachsen in abgemessenen Schritten, sie müssen das Wachstumstempo verkraften können. Sie entwickeln sich von einem sicheren Heimmarkt aus. Sie wissen: Nur wer seine heimatlichen und seine journalistischen Wurzeln kennt und pflegt, kann in den neuen Welten, in Osteuropa oder China, wieder Wurzeln schlagen.
2. Persönliche Bindungen
Bindungen in einer neuen Ordnung entstehen vorab zwischen Menschen.
Vertrauen in andere Menschen ist die einfachste Möglichkeit, Komplexität zu verstehen. Das gilt im Verhältnis zwischen dem Stimmbürger und dem Politiker, zwischen den Mitarbeitern und dem Patron. Eine Folge davon ist die so genannte Personalisierung, die immer dann besonders ausgeprägt ist, wenn sich die Leute unsicher fühlen. Zuweilen wird sie im Sinne eines Markenzeichens professionell gepflegt.
Ringgi und Zofi sind eine Personalisierung des Verlages Ringier, eine andere ist Betty Bossy, die eine wichtige Identifikationsfigur wurde. Eine exportfähige dazu: Betty Bossy gibt es nämlich auch in China, sie heisst dort Betai Chufang. (Ihr Marktpotenzial ist zudem geringfügig grösser als jenes von Betty Bossy, das ergab jedenfalls die letzte Volkszählung.)
Es gibt auch verzweifelte Versuche, Bindungen mit personalisierenden Appellen herzustellen. Im Zimmer eines New Yorker Hotels las ich auf einem Merkzettel: „Der von Ihnen eingepackte Morgenrock wird dem Zimmermädchen vom Lohn abgezogen." Auch das ist eine Personalisierung. Zunächst eine von mir selber, indem ich als potentieller Morgenrockklauer hingestellt werde. Entscheidender ist der Versuch des Hotelkonzerns, sich in seinem Zimmermädchen zu personalisieren, weil seine Kunden zur Aktiengesellschaft, zur Société anonyme, keine Bindung und also kein schlechtes Gewissen haben, wenn sie etwas mitlaufen lassen.
Und über die Personalisierung in der Politik weiss ja Ringier bestens Bescheid. Darum drängen sie alle in die Schweizer Illustrierte, um sich mit Partnerin und Pudel auf einem Sofa ablichten und zitieren zu lassen mit „Wir wollen ein Baby." Ringier freuts und den narzisstisch-voyeuristischen Gewinn teilen sich Leser und Politiker.
Mitunter werden auch Parteien oder ganze Staaten nach Personen beurteilt, und dasselbe gilt für die Wirtschaft: Gerade Verlage sind durch ihre Patrons personalisiert worden: Brucerius, Augstein, Hagemann, Coninx und Ringier. Hinter jeder Zeitung oder Zeitschrift, hinter jedem Artikel stand ein Mensch, und das wussten die Leser.
Kofi Anan hat der UNO ein Gesicht gegeben und war daher entscheidend mitverantwortlich, dass die Schweiz der UNO beitrat. Diese Personalisierung haben wir damals auch bewusst eingesetzt und Kofi Anan hat die Schweizer Herzen für die UNO im Nu erobert, als er spontan in ein Zürcher Tram stieg, ohne eine Fahrkarte dabei zu haben.
3. Heimat und Geborgenheit
Da wurde via die Person von Kofi Anan eine Bindung zwischen den Schweizer Stimmbürgern und der UNO geschaffen. Können sich die Menschen auch direkt an eine so grosse Gemeinschaft wie die UNO binden oder ist eine derartige Bindung nur in einer kleinräumigen, übersichtlichen Gesellschaft möglich? Gibt es Heimatgefühle im globalen Dorf?
Das Grosse kann durchaus ein proportionales Abbild des Kleinen sein. So wie Gotthelf das Vaterland als Abbild des leuchtenden „Zuhause" sah, kann die Weltengemeinschaft durchaus Abbild der Gemeindeversammlung sein.
Das erlebte ich an der UNO-Klimakonferenz auf Bali. Unter dem Druck der Buhrufe änderte die Grossmacht USA am letzten Verhandlungstag tatsächlich ihre Haltung zur Road Map und ermöglichte einen Konsens.
Ich fühlte mich auf Bali in einer emotionalen Versammlung, die sich in ihrer Gruppendynamik nicht vom Einwohnerrat von Zofingen unterschieden hätte.
Wie schafft ein Medienunternehmen eine solch intime Atmosphäre? Wie kann es bei einer Konkurrenz von tausend mal tausend Kanälen, von Millionen von Homepages und unzähligen und ununterscheidbaren Gratiszeitungen, welche immer noch gratiser abgegeben werden, gelingen, die Leser an die eigene Zeitung, die Hörer und Zuschauer an das eigene Radio, den eigenen Fernsehkanal binden?
Die Heftliversicherung war ein Versuch.
Wenn die Auswahl für uns Leser oder Zuschauer derart uferlos ist, suchen wir uns die mediale Heimat in der Marke unseres Vertrauens, für die Zeitung, von der wir denken: „Das ist meine Zeitung und sie hat meine Grundeinstellung." Diese Grundeinstellung kann in liberalen Grundwerten bestehen, in Wirtschaftsfreundlichkeit oder in der Haltung des Stammtisches: „Denen da oben muss man einheizen".
Diese Grundhaltung eines Mediums ist das, was wir Qualität nennen, Schreibqualität, Informationsqualität, Verlässlichkeit, Glaubenwürdigkeit.
Vertrauen und damit Bindung kann nur mit Glaubwürdigkeit gewonnen werden. In diese Glaubwürdigkeit muss investiert werden.
Macht ein Verleger bei dieser Investition Abstriche, geht das wichtigste Kapital seiner Marke verloren. Der Leser will, dass seine Zeitung für gewisse Werte steht, dass sie eine Seele hat.
Ein Medium mit einer Seele richtet sich an Menschen. Richtet sich eine Zeitung hingegen ausschliesslich nach den Anzeigenkunden, werden Leser sich nicht dauerhaft mit ihr identifizieren.
So, wie der von 500 Fernsehkanälen überforderte Zuschauer zu den heimatlichen Service-Public-Angeboten zurückkehrt, so tut der Leser das auch bei den Zeitungen.
Gerade in Zeiten der Veränderung suchen die Menschen Bindungen, Halt und Heimat. Das ist auch die Chance eines Unternehmens, das in unserem Lande familiär verwurzelt ist und sich seine Unternehmenskultur nicht von der Börse diktieren lässt.
Darum empfinden manche Menschen in diesem Land ihr Heimatgefühl, d.h. ein Teil ihrer Identität, als bedroht, wenn grosse Medienunternehmen in die Hände von Finanzinvestoren und börsennotierten Konzernen fallen würden.
Die Menschen wollen nicht, dass ihre Zeitung einem anonymen Investor gehört, dessen Absichten sie nicht kennen.
Das hat Michael Ringier erfahren, als das Projekt einer Kooperation mit Springer publik wurde. Da bekam er besorgte und eindringliche Telefonanrufe von Menschen, von denen man eine solche Intervention nie vermutet hätte und die einen Ausverkauf ihrer Heimat befürchteten. Sogar der Medienminister soll ihn angerufen haben.
Ringgi und Zofi waren am Nil, in Indien, in Mexico, ja im Weltall. Aber sie sind immer wieder zurück in die Schweiz gekommen, auch hierhin nach Luzern zu Willhelm Tell. Da sind ihre Wurzeln. Sie gehören zur Schweiz, zur Familie. Wie empörte sich doch Ringgi, als man ihm den lieben Zofi abkaufen wollte? Er sang:
„En so nen schöne Hund
Dä git me doch nid här
Käim Bundesrat
Und au käim Millionär!"
Ja, meine Damen und Herren, die Globalisierung als neue Ordnung hat nur Bestand, wenn Ringgi und Zofi das Mass aller Dinge bleiben.