Kommentare über Moritz Leuenberger
Laudatio in Wien
von Hubert Gorbach
anlässlich Übergabe des Lifetime Achievement Awards in Wien am 28. Januar Januar 2024
Laudatio für Moritz Leuenberger, Verleihung „Golden Arrow“ in Wien,
Wiener Congress am 28. Jänner 2024
Sehr geehrte Damen und Herren, lieber Moritz!
Max Frisch, Schweizer Schriftsteller, 1911 – 1991: „Nichts ist schwieriger als loben“.
Ein Laudator tut sich oft besonders schwer, die richtigen Worte zu finden bzw. auszuwählen,
wenn der Auszuzeichnende eine Vita, gespickt mit Erfolgen und von einer seltenen Vielfalt
aufweist, wie das bei Dir, lieber Moritz Leuenberger, der Fall ist. Und es wird noch
schwieriger, wenn der zu Ehrende schon mit dem „Ciceropreis“ ausgezeichnet wurde, also
dem Preis für die beste politische Rede im deutschsprachigen Raum. Im Jahr 2003 hast du
diese besondere Auszeichnung für deine am 6. September 2002 gehaltene Rede „Das Böse,
das Gute, die Politik“ als bisher immer noch einziger Schweizer erhalten. Ein Zitat aus dieser
Rede lautet: „Wer das Böse ausrotten will, tötet die Freiheit“. Das ist Moritz Leuenberger wie
er leibt und lebt und wie er denkt. Gesagtes polarisiert, Gesagtes macht nachdenklich,
Gesagtes birgt viel Wahrheit in sich.
Meine Damen und Herren, Moritz Leuenberger war ein Politiker, der sowohl in die
Tagespolitik kniete und vieles umgesetzt hat, was für viele Politiker von heute nicht mehr
zutreffend ist - der auch öffentlich über Grundsätze des politischen Zusammenlebens
nachdachte und somit viele Andere zum Nachdenken bewegte - der also sowohl
Gewissensethik als auch Verantwortungsethik wahrnahm.
Zum Thema „Gewissensethik“ ist festzustellen, dass Moritz Leuenberger während seiner
Regierungszeit, die beachtliche 15 Jahre dauerte und in welcher er auch zwei Mal die
Verantwortung für die Eidgenössinnen und Eidgenossen als deren Bundespräsident hatte,
immer wieder betont hat,
- dass sich moralische Grundwerte nicht von der täglichen Sachpolitik trennen lassen
- dass Handeln und Denken keine Gegensätze bilden, sondern sich bedingen.
Mit seiner Erfahrung als fast 20 Jahre selbständiger Rechtsanwalt hat er in der Politik auch
stets Verantwortung wahrgenommen und nicht so wie heute oft zu sehen, diese gescheut.
Für mich verwunderlich waren immer seine tiefsinnigen Reden, die die Sache immer auf den
Punkt brachten. In meiner Zeit als Verkehrsminister Österreichs durfte ich meinen Kollegen
in der Schweiz kennen- und schätzen lernen und habe mich immer wieder an seiner
Anwesenheit und an seinen Wortmeldungen im Europäischen Rat, zu dem ich ihn auch als
Vorsitzender während der österreichischen Präsidentschaft gerne eingeladen habe, erfreut.
Verwunderlich war auch seine Bescheidenheit, nein, Moritz drängte sich nicht vor, sondern
sagte dann etwas, wenn er auch etwas zu sagen hatte.Zum Thema „Verantwortungsethik“ nenne ich natürlich allen voran den Gotthard-Basistunnel.
Dieser Bau ist in 4 Volksabstimmungen gutgeheißen worden, das muss man sich zuerst
einmal vorstellen können!
Für all diese Volksabstimmungen war er federführend und hat die entsprechenden Vorlagen
ausgearbeitet. Ein Zitat aus der Rede zum Durchstich des Basistunnels von Moritz
Leuenberger passt auch wie die „Faust aufs Auge“ zu ihm: „Der Berg ist groß, wir sind klein.“
Nur so nebenbei, wir sprechen beim Gotthard-Basistunnel vom bis dato längsten
Eisenbahntunnel der Welt.
Ein großes Anliegen war Moritz Leuenberger auch die Sicherheit im Straßenverkehr unter
der Überschrift „via sicura“. Sehr erfolgreich hat er ein Programm zur erheblichen
Verminderung von Toten und Schwerverletzten im Straßenverkehr sowie verschiedene
diesbezügliche Maßnahmen eingeführt und umgesetzt. Trotz großer Widerstände gab der
Erfolg ihm Recht. Und auch hier möchte ich ein Zitat aus seiner diesbezüglichen Begründung
vor dem Parlament erwähnen:
„Das Gebot, du sollst nicht töten, heißt für den Politiker auch: du musst alles tun,damit es
keine Toten gibt.“
Ja, würde ich über Moritz Leuenberger erzählen und sprechen, wie es seinem intensiven
bisherigen privatwirtschaftlichen, politischen und kulturellen Leben entspricht, würden wir alle
morgen Abend noch dasitzen. Festhalten möchte ich aber schon noch, dass Moritz
Leuenberger sein großes Departement (Ministerium) so geführt hat, dass eine nachhaltige
Politik ermöglicht wurde, wovon sowohl die Umwelt als auch die Infrastrukturen profitierten,
denn es wurden die Differenzen vor den Entscheidungen bereinigt. Hätten wir Politiker
seines Formats nur heute noch auf nationalen, europäischen und weltweiten Ebenen! Die
Welt würde anders aussehen!
Erwähnt soll auch sein, dass Moritz Leuenberger in mehreren Funktionen innerhalb seiner
sozialdemokratischen Partei war, im Züricher Gemeinderat, im Nationalrat, Präsident einer
parlamentarischen Untersuchungskommission, Regierungsrat des Kantons Zürich und
Bundespräsident runden sein breites politisches erfolgreiches Wirken ab. Und ja, er erhielt
auch schon mehrere Auszeichnungen, wie z. B. das Ehrendoktorat der Universität Udine für
innovative verkehrspolitische Anstöße, den schon erwähnten „Ciceropreis“ für die beste
politische Rede im deutschsprachigen Raum aus Deutschland, den „European Railway
Award“ für nachhaltige Verkehrspolitik und vom Austrian Business Forum den „Red Arrow“
für sein Lebenswerk als Infrastrukturminister. Und als er Ende 2010 zurückgetreten ist, hat er
seinem bisherigen Wirken entsprechend festgestellt (ich zitiere Dr. Moritz Leuenberger): „Wir
treten auf, wir spielen, wir treten ab.“ Diese doch wieder sehr typische Feststellung für Moritz
Leuenberger hat er auch anlässlich eines „Wiener Kongresses“ sowie alle anderen
Teilnehmer auf einem Plakat festgehalten – das Kunstwerk sehen sie hier auf der Bühne
hinter mir.
Nach seinem Rücktritt wirkte Moritz noch 7 Jahre als Conférencier im „Bernhard Theater“ in
Zürich, einer kulturellen Mischung von Kabarett und Politik und auch hier hatte er großartige
Erfolge zu verzeichnen.
Und weil es zum oft witzigen und humoristischen Moritz Leuenberger passt, der auch
selbstironisch sein konnte und weil wir hier und heute in der lebenswertesten Stadt Wien
sind, zitiere ich den langjährigen früheren Bürgermeister Michael Häupl: „Was mir am
meisten im Zirkus Spaß macht, sind die Clowns – weil ein bisschen sind die Artverwandte
meines Berufs“. (Zitat Ende)Lieber Moritz, ja, Du bist aufgetreten, Du hast gespielt und bist leider abgetreten. Aber wie
nur wenig andere Politiker hast Du auch tiefe Spuren und den längsten Tunnel der Welt
hinterlassen, die noch sehr lange nachwirken und uns positiv beeinflussen werden. Diese
Welt könnte mehr Politiker und Menschen Deines Formats gebrauchen.
Wenn Du in Deiner Bescheidenheit jetzt denkst, das ist „zu viel des Lobes“, dann sage ich
Dir „nein“, es würde noch viel mehr Lob passen, auch wenn Du jetzt so denkst wie der
Schweizer Moderator Kurt Felix es einmal festgestellt hat: „Gegen Angriffe kann man sich
wehren, gegen Lob ist man machtlos!“
Gratulation zur heutigen Auszeichnung mit dem „Golden Arrow“ und weiterhin alles Gute für
Dich, lieber Moritz Leuenberger.
Mit Tiefsinn und Spass
Rolf App, NZZ am Sonntag 13. Dezember 2015
An den Tagen für Neue Musik in Zürich hat Moritz Leuenberger einen Auftritt als Satiriker – und Charles Ives zeigt in der 4.Sinfonie seine ganze Seelentiefe.
Der Schwierige geht. Was bleibt von Moritz Leuenberger?
F. Müller, NZZ am Sonntag 11. Juli 2010
Vermutlich hätte es Moritz Leuenberger lieber gesehen, wenn er als Vorbild für Hugo von Hofmannsthals Titelhelden im Stück «Der Schwierige» gälte, statt jeweils von Viktor Giacobbo im Sonntagabend-Programm durch den Kakao gezogen zu werden. Aber kein Mensch und vor allem kein Politiker kann seinen Platz in der Geschichte eigenhändig festlegen; das besorgt diese von selbst.
Ein Meister der politischen Ironie
Walter Hagenbüchle, Neue Zürcher Zeitung 10. Juli 2010
Mit Moritz Leuenberger tritt ein Politiker ab, dessen Sehnsucht nach Volksnähe sich nicht immer erfüllte. Er litt unter den Vorwürfen wegen Staus, Fluglärm und Antennen. Seine Rolle als Blitzableiter des Volkszorns meisterte er mit Finesse und Ironie.
Über die List und bissige Hunde
P. Eggenberger, Neue Zürcher Zeitung 10. Juli 2010
Politiker müssen oft reden. Nicht immer schreiben sie ihre Texte selber. Moritz Leuenberger hat diesbezüglichen Spekulationen einen Riegel geschoben. Im Buch «Träume & Traktanden», das im Jahr 2000 einen ersten Reigen seiner Reden präsentierte, schreibt er im Vorwort: «So wie niemand einem Bundesrat zutraut, allein in ein Flugzeug zu steigen, weswegen die Fluggesellschaften weltweit VIP-Services unterhalten, die sich rührend um Kleinkinder und Regierungsmitglieder kümmern, so wenig traut man offenbar einem Bundesrat zu, eine Rede selber zu schreiben. So sei denn die häufige Frage nach dem Ghostwriter beantwortet: Es gibt keinen.»